Diese Woche hat Herbert ein junge, vollkommen ausgehungerte Krähe in Wien aufgegabelt. Sie ist auf den Seitenstraßen rund um die Firma im dritten Bezirk herumgeirrt und einige Male nur knapp den vorbeifahrenden Autos entkommen. Nachdem er sie zuerst einige Zeit beobachtet und vergeblich nach ihren Eltern Ausschau gehalten hat, hat er sie kurzerhand mit nach Niederösterreich ins Haus mitgenommen. Sie konnte weder eigenständig fressen, noch flattern, geschweige denn fliegen.
Daheim angekommen haben wir sie erst mal mittels Spritze mit einer wässrigen Mischung aus eingeweichtem Katzenfutter und Ei gefüttert, was ihr sichtlich gut getan hat. Der alte Vogelkäfig aus dem Dachboden war schnell wieder flott gemacht, und so hat er (sie?) seine erste Nacht gut überstanden.
Am nächsten Tag haben wie ihn Charlie getauft – nach einer zutraulichen Krähe, die Herbert in seinen Kindertagen kennen und lieben gelernt hat. Mit Freiflugstunden im Saunazimmer haben wir seinen Aktionsradius in den nächsten Tagen sukzessive erweitert, wobei er schnell gelernt hat, kurze Distanzen flatternd zurückzulegen und dabei auch ein paar Höhenmeter zu überwinden. Lebende Mehlwürmer haben ihn schließlich zum eigenständigen Fressen animiert, was nach einigen vergeblichen Versuchen zwar noch nicht perfekt, aber immerhin einmal grundsätzlich funktioniert hat.
Nach drei Tagen haben wir ihn nach draußen in die Voliere übersiedelt, die Papa damals für eine verletzte Amsel gebaut hat, die wir wieder aufpeppeln wollten. Charlie gefällt’s – und ich muss nicht mehr jeden Tag Dutzende „Vogelschmatzer“ lokalisieren und wegschrubben. 🙂
Mittlerweile hat er zu uns genug Vertrauen (und natürlich auch wir zu ihm), dass wir ihm bereits Auslauf – oder besser „Ausflug“ – im Freien zugestehen. Hund und Katzen werden dafür vorsorglich weggesperrt, und nach ein paar Anläufen hat er bereits einen kleinen Rundflug mit Landung am Anbaudach geschafft. Danach kommt er allerdings immer gerne wieder zurück um ein paar Mehlwürmer abzustauben und anschließend vorzugsweise unsere Ohren und Zehen zu beknabbern. Auch ein paar kurze Badesitzungen im Waschtrog hat er schon genossen, bei denen er vor lauter Begeisterung so herumgespritzt hat, dass es kaum möglich war, ihn dabei zu fotografieren. 🙂
Die Nächte verbringt er allerdings immer noch sicher im Käfig und wir zerbrechen und den Kopf, wie wir den Kleinen letztendlich auswildern sollen, ohne dass er sofort durch seine Zutraulichkeit bei anderen Menschen in Ungnade fällt oder von Hund und Katz als willkommene Bereicherung des Speiseplans gesehen wird. Da muss wohl nochmal Google bemüht werden …
Aber im Moment zählt erst mal nur, dass Charlie frisst, wächst und fliegen lernt. Wir haben jedenfalls unsere Freude an dem Neuzugang.