Die Mistel

Für den Abschluss der diesjährigen „Ausbildung Kräuterwissen“ hab ich wieder ein Pflanzenportrait erstellt – nach der Wildrose 2013 diesmal über die Mistel, Viscum album. Es ist erstaunlich, wie lange diese Pflanze bereits verwendet und verehrt wird. Schon in 2500 Jahre alten Aufzeichnungen wird sie erwähnt.

Misteln wachsen als Halbparasiten hoch oben in den Bäumen und berühren zu Lebzeiten nie die Erde. Dies, zusammen mit der Tatsache, dass sie grünen und blühen während die anderen Pflanzen ihre Winterruhe halten, und ihre heilkräftigen Inhaltsstoffe haben sie in fast allen Kulturen zu etwas Besonderem, ja oft sogar Heiligem gemacht. Die Germanen glaubten gar, dass die Götter die Mistelsamen in die Bäume streuten, sie also ein Geschenk des Himmels wären.

Mistel mit  Samen

Die alten Druiden verwendeten die Mistel für allerlei Zauber und Tränke. So galt (und gilt) die Mistel als heilige Pflanze, die sich selbst erneuern kann, nachdem man sie geschnitten hat. Sie soll vor allem Bösen schützen und gilt als eines der sieben heiligen Kräuter.

Neben der Versinnbildlichung von Licht und Glück wurde der Mistel aber auch eine dunkle Symbolik zugesprochen. In der griechischen Mythologie ist es gerade diese Pflanze, die Merkur unter die Erde begleitet, wenn er die Toten in das Reich der Schatten führt. Und auch der trojanische Held Äneas musste eine Mistel beschaffen, um Zugang zur Unterwelt zu erlangen. In der germanischen Mythologie wurde ein Pfeil, den Gott Loki aus einer Mistel schnitzte, zur einzigen Waffe, die den Licht- und Sommergott Baldur töten konnte: Die germanische Muttergöttin Freya wollte ihren Lieblingssohn, den Lichtgott Baldur beschützen und nahm allen Wesen auf der Erde
das Versprechen ab, ihren Sohn nicht zu verletzen. Nur die Mistel, die unscheinbar im Gestrüpp wuchs, übersah sie. Der listige dunkle Gott Loki erfuhr dies und Baldur wurde durch einen Mistelpfeil getötet. Darauf verbannte Freya die Mistel in die luftigen Höhen der Bäume.

Schon die Kelten wussten von der Mistel, dass sie bei neurologischen Beschwerden und Herzerkrankungen helfen kann, wofür sie in der Volksmedizin heute immer noch eingesetzt wird. Pharmakologisch findet sie in der komplementären Krebstherapie und bei entzündlichen Gelenkserkrankungen Verwendung.

Eine absolut faszinierende Pflanze – wobei ich das Glück habe, sie im eigenen Garten beobachten zu können. Unsere Akazien tragen etliche große Exemplare und – wie ich bei meiner Recherche hoch in den Bäumen feststellen konnte – es kommt reichlich Nachwuchs. Dafür sorgen wohl die zahlreichen Krähen, die sich im Herbst und Winter scharenweise auf den Robinien niederlassen und die klebrigen Samen verbreiten.

Alles, was ich zum Thema gefunden habe, findet sich übersichtlich aufbereitet hier in meinem Pflanzenportrait:

Pflanzenportrait – Viscum album (PDF, rund 4,8 MB)